جمعه
Freydoun Farokhzad
http://www.sujet-verlag.de/

Der Vogel ist sterblich
Neuauflage der Gedichte von Freydoun Farokhsad
Farokhsad – dieser Name ist all jenen geläufig, die sich auch nur im Ansatz für persische Literatur im Allgemeinen und Lyrik im Speziellen interessieren. Forough Farrokhsad, 1934 in Teheran geboren und im Februar 1967 dort bei einem Autounfall ums Leben gekommen, gilt bis heute als bedeutendste persische Dichterin des 20. Jahrhunderts. Nicht nur zählte sie zu den großen Erneuerern der persischen Dichtung – sie war es auch, die als weibliche Stimme die meisten ihrer männlichen Kollegen in den Schatten stellte. Nicht ihrem frühen Tod ist ihr Ruhm zu verdanken, sondern ihren Gedichten, die von zeitloser Schönheit und faszinierender sprachlicher Tiefe sind. Bei Suhrkamp ist unter dem Titel „Jene Tage“ eine Auswahl ihres Werks auf Deutsch erschienen.
Weniger bekannt ist, dass auch ihr Bruder Freydoun Farokhsad Gedichte schrieb – populär wurde er in den Siebzigern als Showmaster und Sänger in Iran. Er kam 1958 nach Deutschland um zu studieren, seine erste Station war bezeichnenderweise ein Kaff namens Versmold. Er veröffentlichte drei Bücher, zwei davon auf Farsi. Sein Debüt verfasste er auf Deutsch, machte sich eine Sprache zu Eigen, die er gerade erst erlernt hatte. Der kleine Band „Andere Jahreszeit“ erschien 1964 bei Luchterhand, mit einem Nachwort von Johannes Bobrowski, den Farokhsad in Ostberlin kennengelernt hatte. Das Buch bescherte ihm prompt den Literaturpreis der Stadt Berlin und überschwängliche Rezensionen unter anderem in der Süddeutschen Zeitung („Ein persischer Dichter muss hierher kommen und der Härte unserer Literatur ein wenig Feinheit und Anmut verleihen.“).
Aber es erlitt das Schicksal der meisten Lyrikbände: es war rasch vergriffen und dann vergessen. Dass der Bremer Sujet Verlag nun, über fünfzig Jahre später, eine Neuauflage wagt, ist ein unermesslicher Gewinn für die deutsche wie die persische Lyriklandschaft. Denn das Buch erscheint dieses Mal zweisprachig. Hossein Mansouri, selbst Dichter und der Adoptivsohn von Forough Farokhsad, hat die Texte erstmals ins Persische übertragen und stellt dem mit Collagen von Monica Schefold illustrierten Band ein umfangreiches und informatives Vorwort voran. Mansouri hatte Farokhsad noch persönlich gekannt und teilt seine Erinnerungen mit dem Leser.
„Auf dem heißen Blechdach / landet die Nacht / wie eine schwarze Taube“, heißt es im ersten Gedicht, im ersten von vier Kapiteln, das mit „Persisch gedacht, deutsch gesagt“ überschrieben ist, und es bereitet vor auf das, was man in weiteren vierzig Gedichten finden wird: eine sehr sanfte, melancholische Sprache voller eindringlicher Bilder, die sich einprägen, die faszinieren und nachklingen. Farokhsad hat es geschafft, die ganz eigene Bilderwelt persischer Lyrik ohne Verlust auf Deutsch zu formulieren – und das ist in dieser Intensität bislang nur wenigen gelungen. Farokhsad war keineswegs, wie man vermuten könnte, einer, der nebenbei gedichtet hat, während seine Heimat die Bühne war. Im Gegenteil. Die Bühne war sein Vehikel für Unterhaltungsshows vor und für Agitation nach der Islamischen Revolution, vor der er letztlich flüchten musste wie so viele andere auch. Auf beschwerlichem Weg über Istanbul kehrte er 1980 nach Deutschland zurück.
Aber seine Heimat in der deutsch-persischen Heimatlosigkeit und zwischen tragischen Liebesgeschichten zu seiner Frau Anja (der das Buch gewidmet ist) und seinem langjährigen Geliebten Saeed, blieb immer die Lyrik - das merkt man nach wenigen Seiten. In diesen Gedichten steckt die Seele des Dichters: „Die Nacht / Am Tag / versteckt sie sich / in der Zärtlichkeit / der Wiesen / im Gesang / der Zikaden. // Während ich schlafe / presst sie ihr Gesicht / an die Fensterscheibe / und beobachtet / meinen Schlaf.“
Es sind Gedichte, die ein ganzes Leben umfassen: die Träume des Kindes, die Liebe, das Erlöschen ihrer „Atemlieder“; es sind Gedichte eines Mannes, der mit Ende zwanzig schon viel erlebt und vor allem erfühlt und gefühlt hat. Es gibt Gedichte über Iran, wo die Rosen verwelken und die Nachtigallen verstummen, es geht um Verlust und Teilung, nicht nur in diesem „Berlin“ betitelten Gedicht:
Teilt man
die Gewässer
so trennt man nicht
die Hechte
teilt man
die Akazie
so teilt man nicht
ihren Duft
geht aber
etwas
in Zwei
so geht alles
entzwei
ich diese Seite
du jene.
„Eine Feder / in deiner Hand / ist ein Vogel“, heißt es unter dem nüchternen Titel „Illusion“, und man wagt zu vermuten, dass dieses Gedicht auf die berühmten Verse von Farokhsads Schwester Forough anspielt: „Behalte den Flug im Gedächtnis, / der Vogel ist sterblich.“
Bei Freydoun Farokhsad ist der Sommer „eine durstige Schwalbe / die an Luftspiegelungen / starb“ und „der Herbst / ein melancholisches Kapitel / das ich zu Ende las“; die Stille ist „eine unsichtbare Gestalt / die durch alle Türen geht“, und die „Welt / ist ein Sperling / der sich widerstandslos / töten lässt // bekleidet / mit heiteren Buchstaben / des Leichtsinns“.
Freydoun Farokhsad ist auf dem Nordfriedhof Bonn begraben, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1992 lebte. Vor der Revolution von 1979 zog der SAVAK, der Geheimdienst des Shah-Regimes, mit Wissen und Unterstützung des BND eine blutige Spur durch Deutschland, wo er Jagd auf Regimegegner machte. Die Schergen Chomeinis setzten, diesmal ohne bundesdeutsche Unterstützung, dieses Werk bis in die Neunziger Jahre fort. Freydoun Farokhsad wurde in seiner Bonner Wohnung mit zahllosen Messerstichen ermordet. Seine Verse leben weiter.
Freydoun Farokhzad
Andere Jahreszeit
Gedichte und Collagen
Eingeleitet und ins Persische übersetzt von Hossein Mansouri.Mit einem Nachwort von Johannes Bobrowski und Illustrationen von Monica Schefold
Sujet Verlag
2015 · 162 Seiten · 12,80 Euro
ISBN:
978-3-944201-29-0
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