Der Terminator des Terminators
Rasche Bemerkungen zu James Cameron: «Terminator 2 – Judgment Day», USA 1991
Inhalt
I. Identitäten
II. Körper und Leib
III. Servonen, Avatare und der leere Platz des Vaters
IV. Das Gesetz der Kastration und seine Effekte
V. Kants «Judgment Day»
VI. Kinematographische Verausgabung
VII. Literatur
VIII. Anmerkungen
Terminator-2 nimmt die Geschichte aus dem ersten Terminator-Film von 1984 wieder auf, dupliziert dabei allerdings die Rolle des Terminators, der aus der Zukunft in die Gegenwart gesandt wird, um Mutter Sarah Connor (Linda Hamilton) und Sohn John Connor (Edward Furlong) zu ‚terminieren‘, die dafür sorgen, dass der ultimative Computer-Chip zerstört wird, der in der Zukunft die Roboter in eigenständig agierende Maschinen verwandelt, die ihre Schöpfer – die Menschen ‒ ausschalten und die Weltherrschaft übernehmen. Der tödliche ‚Terminierungs‘-Auftrag soll nun von einem weiterentwickelten Roboter T-1000 (Robert Patrick) aus Flüssigmetall ausgeführt werden, während ein zweiter, von den menschlichen Anti-Maschinen-‚Rebellen‘ aus der Zukunft geschickte, aber technisch veralteter Terminator T-1.01 (Arnold Schwarzenegger) den Schutz von Mutter und Kind übernehmen soll.
Während der moderne Maschinenmensch wie aus reinem Instinkt seinem Auftrag folgt, lernt der andere, trägere T-1.10 nicht nur die Asimow-Regeln aller Maschinen zu befolgen ‒ nämlich den Men-schen nicht zu schaden ‒, sondern zudem noch menschliche Verhaltensweisen anzunehmen und seinem Schützling John Connor in der wichtigen Etappe seines Lebens ein guter Kumpel, ja Vater zu sein, bevor er, nach Erfüllung seines Auftrags, sich selbst von der Mutter ‚terminieren‘ lässt.
***
Wie immer, wenn es um die Technik geht, ist Martin Heidegger ein guter Begleiter. So endet seine berühmte Rede vom „Satz der Identität“ 1957 mit folgenden Worten: „Zwar können wir die heutige technische Welt weder als Teufelszeug verwerfen, noch dürfen wir sie vernichten, falls sie dies nicht selbst besorgt. Wir dürfen aber noch weniger der Meinung nachhängen, die technische Welt sei von einer Art, die einen Absprung aus ihr schlechthin verwehrt. Diese Meinung hält nämlich das Aktuelle, von ihm besessen, für das allein Wirkliche. Diese Meinung ist allerdings phantastisch, nicht dagegen ein Vordenken, das dem entgegenblickt, was als Zusprache des Wesens der Identität von Mensch und Sein auf uns zukommt.“ (1)
Vielleicht kann uns der Meister von „Sein und Zeit“ auch für den TERMINATOR-2 einen Wink geben?
I.
Identitäten
Es geht also um Identität. Und um die Differenz zwischen technischer und menschlicher Identität.
Wir schauen hier nur auf die Identität der beiden Terminatoren.
Im Grunde beginnt dieses Spiel mit der Identität immer ganz früh, also mit dem, was man gemeinhin als Geburt bezeichnet: als der Terminator T-1000 in die Gestalt eines Polizisten schlüpft, er aber eigentlich gar nicht in dessen GESTALT schlüpft, sondern er derselbe bleibt, der er vorher war, und nur die Uniform, also die Kleider tauscht. Der KÖRPER des T-1000 ist derselbe geblieben, wie er nackt aus der Zukunft aus einem Loch im Maschendrahtzaun geboren wurde, nur seine Kleider haben sich signifikant geändert.
Dieser Körper wird bis zu seinem ‚Tode‘ derselbe bleiben, obgleich er zwischendurch auch andere Körpergestalten annimmt. Ja, in einem denkwürdigen Prozess der Metamorphose wird die Polizeiuni-form schließlich so sehr Teil seines technischen Körpers werden, dass sie mit ihm wiederaufersteht, wenn er aus dem Feuersturm des LKW-Unfalls wieder auftaucht oder später aus der totalen Vereisung sich wieder reproduziert. Und das ist eine der vielen merkwürdigen Erscheinungen in diesem TERMINATOR-2-Film: Der T-1000 kann aufgrund seines Flüssig-Metall-Körpers eigentlich JEDE Gestalt annehmen, da das Flüssigmetall solche Metamorphosen ad libitum erlaubt. Die Verwandlung scheint allerdings immer zeitlich limitiert, d.h. nach eine mehr oder weniger kurzen Zeit verwandelt er sich wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurück. ‒ Die Zeit spielt demnach eine große Rolle: Es scheint so, als ob die Wiederauferstehung eine kleine Zeitspanne dauert, gerade solange wie ein Rechenprogramm im Computer braucht, um über die Grafikkarte auf dem Bildschirm das Bild zu produzieren. Die lustigste Metamorphose dieses Metall-Körpers ist diejenige, die ihn als Fußboden (!) der Pescadero-Klinik wie-dergebiert, also eine Resurrektion als Plastik- oder Steinboden; doch immer wieder fällt er in DIESELBE Ausgangsgestalt zurück, in der er einmal ‒ wenn man das so sagen darf ‒‚geboren‘ wurde: als Sohn einer Mutter aus Maschendraht… ‒ Das eine Zeit-Loch des T-1000 in die ‚böse‘ oder aus der ‚bösen‘ Zukunft ist der Maschendraht, das andere, in die ‚gute‘ oder aus der ‚guten‘ Zukunft, eine Ecke eines LKW ‒ letzteres ist die Mutter des veralteten und trägeren Terminators T-1.01. Das alles umspannende Netz des Drahtes rivalisiert mit der Trägheit und Bulligkeit eines Lkw.
Diese technische Selbst-Reproduktion ist beiden Terminatoren eigen. Ihre Verdoppelung erklärt sich einzig und allein aus ihrer gegensätzlichen Funktion ‒ Zerstörung und Protektion – und lässt sich auch durch die Auswahl der Darsteller erklären: Während der T-1000 von Robert Patrick eine trainierte, agile, sture programmierte Maschine verkörpert, richtet sich der T-1.01 in Arnold Schwarzenegger als bewusster Gegensatz ein; programmgesteuert sind beide, wenn auch die ‚ältere‘ Ausgabe noch dazu für zusätzliche letztlich von der eigenen Maschinenrationalität ‚abweichende‘ Lernfunktionen offen ist. Was beide allerdings wiederum als gleich auszeichnet, ist ihr Mechanismus der identischen Selbst-Reproduktion bei mittleren (für den T-1.01) bis größeren (für den T-1000) Beschädigungen.
Welche Art von Logik regiert diese Art von identischer Wiederauferstehung?
Diese Frage führt zu einem doppelten Problem: einerseits wird hier das Thema der Identität auf den Prüfstand gerufen, andererseits das Problem der materiellen Seite der Existenz.
Das erste Problem betrifft die Logik, und das werden wir schneller abhandeln als das zweite.
Die gängige Formel des Satzes der Identität – ein oberstes Denkgesetz der abendländischen Philoso-phie: A = A ‒ sagt eigentlich nicht, was es zu sagen scheint: denn zur Gleichheit gehören eigentlich immer Zwei, weshalb wir es beim Satz der Identität nicht mit einer Tautologie ‒ in dem Sinne wie ich sage „eine Pflanze ist eine Pflanze“ ‒, zu tun haben; denn der Satz der Identität sagt ein Anderes: A ist A, d.h. jedes A ist selber dasselbe. Das zitiert eine Aussage aus Platons Sophistes (254 d), wonach „jedes selber ihm selbst dasselbe“ ist (2) und zur Umformulierung des Satzes der Identität führt: „jedes etwas selber ist ihm selbst zurückgegeben, jedes selber ist dasselbe ‒ nämlich für es selbst mit ihm selbst“ (Hervorhebg. HPJ); nach den Worten Heideggers (a.a.O.; S.10f.): Die Selbigkeit ist eine „Vermittlung, eine Verbindung, eine Synthese“. (ib.) Die Neuübersetzung des Satzes der Identität bestärkt die ursprüngliche Annahme, wonach zur Identität immer Zwei gehören müssen, da Identität als ein Mit-Sein (Heidegger) zu denken ist.
Wo aber von dieser Vermittlung abgesehen wird, verlassen wir die Welt des Daseins, denn dann „wird die Identität abstrakt“ (a.a.O.; S.12). Und genau diese Abstraktheit regiert heute, nach Heideggers Meinung, die modernen Wissenschaften bzw. die Mathematik, in denen das „Mit“ des Satzes der Identität wegfällt, dadurch aber auch die gesamte Vorstellung des ‚Seins‘ der Maschinen erschüttern muss. Bei der abstrakten Identität haben wir es mit bloßer Rechenhaftigkeit zu tun. Identität im heute üblichen Verständnis ist im Grunde keine Erscheinung des „Seins“, sondern ein Phänomen der Mathematik, also der Be‒Rechnung. Die Formel, wonach A = A ist, hat dann eine mathematisch-theoretische, d.h. abstrakte Gültigkeit, denn das A links vom Gleichheitszeichen ist nie wirklich (causa materialis, siehe unten) iden-tisch mit dem A rechts davon; das Gleichheitszeichen ist ein Symbol, das die beiden Buchstaben gleich-setzt, nicht aber gleich‒macht; und nur so lässt es sich logisch verstehen, dass in einer Gleichung das Symbol x am Ende der Rechnung etwas anderes sein kann als es selbst: z.B. x = a² + b². Die Welt des Seins wird durch Differenz(en) regiert, und die Identität ist hier ein „Anspruch“, der an dieses Sein gestellt wird bzw. dem dieses Sein ausgesetzt ist. Das gilt bei der Berechenbarkeit nicht: hier gibt es keinen Anspruch auf Identität. (3)
Wir haben es also im Falle der Terminatoren mit Rechen‒Wesen zu tun, die der Wirkung des Realen (Raum und Zeit) ‒ des „Seins“ ‒ nicht unterworfen scheinen. (4) ‒ Gleichwohl unterliegen beide Rechen-Maschinen einer finalen Terminierung; diese erfolgt in Form einer Gleichung, in der ein A als Null gesetzt wird: das Rechenwesen kann durch einfache logische Rechnung aufgelöst werden, indem A = 0 gesetzt wird. Die Abstraktheit bringt es aber mit sich, dass eine neue Rechnung an deren Stelle treten kann und das ‚Spiel‘ gleichsam von vorne beginnen kann. Das „Enden“ der Maschinen ist kein „Ende“ im Sinne eines menschlichen Todes. Sterben können allein nur Menschen.
II.
Körper und Leib
In allen Fällen von Terminierung stoßen wir auf das Phänomen (gr. phainomenon i.S. von Erscheinung, Lichtgestalt, Lichtkörper) der Materialität, d.h. auf die Frage der Ursache von Körpern.
Die antiken Griechen kannten viererlei Ursachen in der Welt:
1. causa materialis,
2. causa formalis,
3. causa finalis,
4. causa efficiens.
Alle vier könnten am Beispiel von TERMINATOR-2 durchgespielt werden (5):
Die 1. Ursache betrifft das Material, z.B. das Metall, aus dem eine Maschine verfertigt wird; die 2. Ur-sache ist die Gestalt bzw. die Form, in die das Material in die Welt (des Seienden) eingeht (ihre Maschinenförmigkeit in Gestalt eines Menschen, eines Roboters). Die 3. Ursache wäre der Zweck, auf den hin z.B. eine Robotermaschine geschaffen wird, etwa zum Zwecke eines Diensts an die Götter, die zukünftigen Menschen oder ‒ wie im Falle von T-1000 ‒ die zukünftigen Maschinen-Weltenherrscher; und die letzte Ursache ist der Effekt, der „die fertige wirkliche“ Maschine „erwirkt“: etwa der Konstruk-teur des Roboters ‒ im vorliegenden Falle einmal die Maschinen, zum anderen die Menschen der Zukunft. (6)
(a) Das Material ‒ die causa materialis ‒, das uns im T-1.01 wie im T-1000 begegnet, scheint ein Hybrid aus Mensch und Maschine, gleichsam bekrönt durch einen (technischen) Computer-Chip, der das menschliche Gehirn simuliert (aber zugleich auch als ‚Herz’ fungiert, wie beim Beispiel der Selbstrepa-ratur des T-1.01 gezeigt wird, wo der Terminator, nach der Entfernung des Chips, bewegungslos verharrt, d.h. offenbar ausgeschaltet ist). Dabei wird die körperliche Gestalt bei Robotern bis heute immer als natürliche Analogie zur Gestalt des Menschen gedacht bzw. vorgestellt. (7) Der menschliche Körper – anfänglich: der nackte menschliche Körper der Terminatoren (sie werden allerdings ‒ im Gegensatz zum Menschen ‒ schon als Erwachsene ‚geboren‘, d.h. also: errechnet) ‒ ist für beide Terminatoren das Vor‒Bild; er besteht aus einer Hülle (Haut, Fleisch, wenn auch artifiziell), die zwar verletzt werden kann, die aber irgendwie gleichsam ‚von selbst‘ wieder heilt – analog zum Computerbild, das wieder abgespeichert werden kann mit dem Befehl: „Rückgängigmachen“!; dieser Befehl scheint den Termina-toren nun selbst implementiert; wir haben es hier also mit einer Maschine zu tun, die sich quasi selbst zu reproduzieren scheint (d.h. die Konstruktion eines perpertuum mobiles). T-1.01 demonstriert seine Künst-lichkeit vor dem Ingenieur Dyson, um ihm den durchschlagenden Effekt des von Dyson erfundenen Chips zu demonstrieren: Er schält hier, zum Entsetzen des Technikers (und der Zuschauer), die ‚Haut‘ von seinem Maschinenarm ab – ohne dass wir erfahren, warum und wie der Arm danach seine volle Körperintegrität wiedergewinnt. (Die kurze Sequenz nach dieser ‚Entblätterung‘ zeigt uns einen T-1.01 mit einem schwarzen Handschuh über dem zuvor abgeschälten Arm: es braucht also offenbar wieder einige Zeit ‒ ein time-lag ‒, um den Arm zu re-generieren.) Maschinenarm wie auch der ominöse revolutionäre Computer-Chip, um den die ganze Geschichte gewebt ist (ein typisch Hitchcock’scher MacGuffin), wurde zuvor schon im technischen Labor des Entwicklungsingenieurs Dyson gezeigt. Wie wir oben gesehen haben, sind die Terminatoren Rechen-Maschinen, die von vornherein die Fähigkeit zur identischen Reproduktion besitzen. Bei beiden Robotern bedarf es beim Reproduktionsvorgang einer kleinen Zeitspanne, die dem Heilungsprozess einer menschlichen Verletzung nachempfunden ist; wir haben es mit einer Abstraktion der Heilung zu tun. ‒ Der Hinweis auf die computertechnische Reproduktion ‒ mittels: Speichern ohne Veränderung ‒ weist zudem noch auf eine anderes Phänomen dieser Terminatoren hin, die sie von Nachbildern des Menschen zu Vor-Bildern im imaginären Register macht; besonders beim T-1.01 wird diese Funktion überdeutlich, da er sich im Laufe der Beziehung zu John Connor als dessen Vaterersatz konstituiert. (Vgl. unten.)
Auch die zweite Analogie zwischen Mensch und Roboter ist bekannt: das menschliche Gehirn wird präsentiert ‒ also im Film: verbildlicht ‒ als ungeheuer fähiger Computer, der in diesem Falle nicht nur ‚sehen‘, sondern offenbar auch ‚riechen‘, ‚schmecken‘, ‚fühlen‘ kann. (8)
Wie der gesamte körperliche Bewegungsapparat wird in den Maschinen-Menschen-Filmen auch das ‚Sehen‘ als Analogon zum Menschen dargestellt. Wir ‚sehen‘ den ‚Blick‘ des Roboters aus seinem fern-gesteuerten Auge (das Auge der Filmkamera verdoppelt sich, der Filmprojektor und mit ihm der Zu-schauer ‚sieht‘ durchs Auge des Roboters ‒ eine Art sophisticated ‚subjektive Kamera‘). Schon bei Beginn des Erdenlebens der Terminatoren nehmen wir die Umwelt der Maschinen in der Art gescannter Bilder wahr. Dieser Blick allein ist schon deshalb merkwürdig, da er die aufgenommenen (gescannten) Bilder als undeutliche Schemen mit irgendwelchen numerischen Daten ‚erkennt‘, die wir höchstens aus den Dateien von Videoaufnahmen oder bei Wärmebildkameras kennen, angereichert durch technologische Zusatzinformationen; diese sind uns Menschen vielleicht entschlüsselbar, einer Maschine können sie aber wenig Aussagen, es sei denn, sie sind mit einem riesigen Datenspeicher verbunden, der alle menschlichen Sinneseindrücke in Zahlenform vorliegen hat und in qualitative Informationen interpretiert werden können. (9) Der Sprung von Quantität zur Qualität ist ein uralter Traum der Menschheit; dass er in Terminator-2 schon möglich ist, wird einfach behauptet.
(b) Doch zurück zur 2. Art der Ursache, d.h. hier der „causa formalis“: Die Gestalt des Terminators aus der Zukunft ist im Falle von T-1000 und T-1.01 weiterhin bestimmt durch die Einheit eines Körpers, der gleichsam eine „Identität“ «mit sich selbst» vorspiegelt, die kein lebender menschlicher Leib vorzuweisen vermag. Der Begriff „Leib“ ist hier entscheidend, noch dazu da dieser Begriff in anderen Sprachen als dem Deutschen tatsächlich keine Entsprechung hat. Die körperliche Einheit eines Roboters ist das Analogon zur menschlichen Gestalt; doch ‚Körper‘ und ‚Leib‘ sind ‒ schon beim Menschen ‒ strikt voneinander zu scheiden: „Der Körper hört auf an der Haut. Wenn wir hier sind, sind wir immer in Beziehung zu etwas. Also könnte man sagen, wir seien immer über den Körper hinaus. … Der Unterschied der Grenzen von Körper und Leib bestünde hiernach darin, dass die Leibgrenze weiter hinausgeschoben wäre als die Körpergrenze, so dass der Unterschied der Grenzen ein quantitativer wäre. Aber wenn wir die Sache so nehmen, so verkennen wir gerade das Leibphänomen und die Leibgrenze. Die Leibgrenze ist gegenüber der Körpergrenze nicht quantitativ, sondern qualitativ verschieden. Der Körper kann als Körper eine solche Grenze wie der Leib gar nicht haben. …Der Leib ist jedenfalls kein Ding, kein Körper, sondern jeder Leib, das heißt der Leib als Leib ist je mein Leib. Das Leiben des Leibs bestimmt sich aus der Weise des Seins. Das Leiben des Leibes ist somit eine Weise des Daseins. Aber welche? … Grenze des Leibens (der Leib ist nur insofern er leibt: Leib) ist der Seinshorizont, in dem ich mich aufhalte. Deshalb wandelt sich die Grenze des Leibens ständig durch die Wandlung der Reichweite meines Aufenthaltes. Die Körpergrenze ändert sich für gewöhnlich nicht, höchstens beim Dickwerden oder beim Abmagern. Aber Magerkeit ist auch kein Körperphänomen, sondern ein Leibphänomen. Der abgemagerte Leib kann freilich wieder als Körper gemessen werden hinsichtlich seines Gewichtes. Das Volumen des Körpers (der Leib hat kein Volumen) ist kleiner geworden.“ (Martin Heidegger, Zollikoner Seminare, S.112f. – Hervorhebung HPJ)
Der Maschinen-Mensch hat genau wie sein Vorbild, der lebendige Mensch, einen Körper, aber, im Gegensatz zu ihm, keinen Leib; er verbleibt auch materiell in einer Abstraktion, und das verweist auf seinen technischen Ursprung: materielle Körper lassen sich errechnen und per Maschinentechniken ‒ bildgebenden Verfahren, Stop-motion-Techniken, Computer-Animation, CAD usf., Filmkameras und Filmprojektoren ‒ zur Darstellung bringen. Sie bewegen sich daher im Reich des Imaginären, evozieren Totalitäten und Fähigkeiten, die in der menschlichen Welt nur als Vor-Stellung existieren.
III.
Servonen, Avatare und der leere Platz des Vaters
Das führt uns zur Frage nach der 3. Ursache: der causa finalis (c): Woher kommt es, dass sich dieser maschinelle Körper immer wieder als derselbe reproduziert bzw. sich als ein solcher reproduzieren muss? ‒ Die Antwort: Nach unserer Auffassung sind Maschinen jene Apparate, die von Menschen zu bestimmten Zwecken (Arbeiten etc.) konstruiert werden: Die Maschine ist „eine künstliche Konstruktion, ein Werk des Menschen, dessen wesentliche Funktion in einem Mechanismus besteht“. (Canguilhem 2006; S.131) Vorbild der Maschine ist im Allgemeinen immer der ‒ menschliche oder andersartige ‒ Organismus; sie dient dazu, organische Bewegungen zu imitieren (10) – und diese imitierte Bewegung kann dann letztlich ohne den Menschen auskommen (11), weil er als ein solcher Körper-Apparat schon von Anfang an geschaffen bzw. mit einem entsprechenden Mechanismus ausgestattet wurde. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu allen ‚Menschen‘, die in TERMINATOR-2 auftreten (der Gefängnispsychologe, Sarah, John, die mexikanische Familie…), sind und bleiben die Terminatoren Maschinen, auch wenn sie mit so etwas wie einem menschlichen Gehirn ausgestattet scheinen. Auch dieses menschliche Gehirn ist ein Mechanismus, d.h. eine bloße Nachbildung des menschlichen Gehirns, das hier aber nichts als die einprogrammierten Mechanismen zu wiederholen bzw. abzurufen. Die Terminatoren sind in diesem Sinne letztlich nichts weiter als „Diener“ jenes Schöpfers (causa efficiens, s.o.), der sie gemacht hat.
Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass der T-1000 unmittelbar nach seiner ‚Geburt‘ eine Gestalt annimmt, die in der menschlichen Gesellschaft zwei fundamentale Aufgaben erfüllt (und erfüllen muss), nämlich „to protect and to serve“.
Unter Servonen, abgeleitet aus dem Lateinischen von ‚servus’, der Diener, sind prothetische Medien zu verstehen, „die dem Ersatz, der Unterstützung sowie der Erweiterung menschlicher Funktionen dienen“. (12) Bekanntgeworden sind die Servonen bisher vor allem als sog. medizinische Servonen: darunter versteht man z.B. Prothesen aller Art (von Implantaten wie Zahnersatz, künstlichen Gliedern, Herzschrittmachern oder inzwischen sogar Hirnschrittmachern bis zu Erektionshilfen, Klitoristransplantationen und sogar Servonen der Funktionsumkehr, der Umwandlung Transsexueller in das jeweilige Wunschgeschlecht). (13)
Das Beispiel solcher prothetischer Funktionen lässt sich am besten darstellen an der „gerechneten Hand“, etwa diejenige, die in einem Computerspiel, als semiotische Teilprothese die Verlängerung des Userkörpers in eine virtuelle Spielewelt darstellt. Diese Hand ist eine Art Stellvertreter im Cyberspace – im Fachjargon «Avatar» genannt. Ein Avatar bezeichnet im Sanskrit die Inkarnation hinduistischer Gottheiten auf Erden, die überwiegend in menschlicher Gestalt auftreten: „Dem Spieler steht außer der Hand eine von ihm aufgezogene und ernährte Kreatur [Tamagotschi! HPJ] zur Verfügung, die er auf die Vernichtung anderer Kreaturen abrichten kann. Im Handbuch wird die Kreatur als Diener beschrieben, über dessen Geschlecht der Spieler entscheidet!“ (Bartels, a.a.O.; S.17) ‒ Als herausragendstes Beispiel dafür gilt seit jeher Lara Croft.
Im T-1000 haben wir daher den nahezu perfekten Servonen, da er nicht mehr durch einen menschli-chen, sondern durch einen maschinellen Urheber erzeugt ist; es besitzt deshalb nur noch äußerlich ein Geschlecht ‒ die Maschinen-Maschine ist geschlechtlos; nur das ältere Modell T-1.01 besitzt eine Art Geschlecht, weil es ja noch durch einen menschlichen Urheber in der Zukunft geschaffen wurde (jene menschlichen ‚Rebellen‘ aus der Zukunft) und zudem noch bei der Einelternfamilie der Connors virtuell den Platz des Vaters auszufüllen hat: Beide Terminatoren funktionieren allerdings auf der Basis des Algorithmus „protect and serve“ ‒ im einen Fall dient die Ausführung des Programms «Destruktion» der Sicherung der zukünftigen Weltherrschaft der Maschinen, im anderen durch den Ausführung des Befehls «Protect» der Sicherung der Weltherrschaft der Menschen für alle Zukunft (causa finalis). Die causa efficiens (d) liegt demnach offen zutage: im einen Falle sind es die Maschinen, im andern die Menschen.
Von daher ist es auch verständlich, dass der T-1.01 den Platz des Vaters einnimmt: das Familienmo-dell soll auch für die Zukunft weiter seine Gültigkeit behalten ‒ so zumindest die vordergründige Bot-schaft des Films. Dem T-1.01 verbleibt freilich nur eine kurze Frist, um den Platz des Vaters (des Vater-Ideals) ausfüllen zu können; dabei wird seine Funktion letzten Endes allerdings schon unterminiert. Nur ein einziges Mal sehen wir ihn als wirklichen ‚Vater‘ agieren: im spielerischen Umgang mit dem ‚Sohn‘ auf dem Wüstenparkplatz; und gerade dieses Bild wird dem Zuschauer nur durch den Blick und den gesprochenen Kommentar der Mutter Sarah Connor vermittelt. M.a.W.: die Platz des Vaters ist eine Wunschfigur der Mutter ‒ ein imaginäres familien-zentristisches Überbleibsel einer Welt ohne Maschi-nen. Eine Servonen-durchsetzte menschliche Gesellschaft, so könnte man die andere Botschaft des Filmes lesen, nimmt von der triadischen Determinierung allen menschlichen Seins Abstand: „Die Digitalisierung zentralisiert im Gegensatz zur Industrialisierung nicht, sie versammelt also nicht mittelständische Lieferanten um einen Großabnehmer oder Arbeitskräfte um eine Maschine, sie gruppiert keine Karrieren um eine Firma oder menschliche Beziehungen um eine Kernfamilie. Ihre Logik ist nicht bestimmt durch Normierung, sondern durch «update» und «disruption», d.h. sie bleibt ihrem Namen treu, ist binär kodiert …“ (14) Diese „Unterbrechung“ traditioneller Familienkonstellationen, besonders durch das Kino, ist schon früh von Félix Guattari konstatiert worden: „Die Psychoanalytiker haben dem Kino immer ein wenig misstrauisch gegenübergestanden. […] Diese Dissymmetrie rührt zweifellos nicht allein von Angelegenheiten des Ansehens her, viel wesentlicher ist sie an die Tatsache gebunden, dass die Psychoanalyse von den unbewussten Prozessen, die vom Kino ins Spiel gebracht werden, nichts verstehen kann. […] Mitunter hat sie versucht, zwischen Traum und Film formale Analogien zu erfassen […], aber aus gutem Grund ist sie nie dem nahegekommen, was seine [sc. des Films, HPJ] Besonderheit ausmacht: eine Aktivität der Modellierung des gesellschaftlichen Imaginären, die selbst in den Fällen, in denen sie sich entschlossen in ihren Dienst stellt, auf familialistische und ödipale Modelle nicht reduziert werden kann. Mag sich auch heute die Psychoanalyse mit Linguistik und Mathematik aufblasen, so käut sie deshalb doch nicht weniger dieselben Allgemeinheiten über das Individuum und die Familie wieder. [...] Das Kino ist eine gigantische Maschine zur Modellierung der gesellschaftlichen Libido geworden. […] Man geht ins Kino, um für eine gewisse Zeit die üblichen Kommunikationsweisen zu unterbrechen.“ (15) (Hervorhbg. HPJ)
IV.
Das Gesetz der Kastration und seine Effekte
Was hier im Register des Imaginären vom Kino als neuartige Besetzungsmaschine behauptet wird ‒ nämlich die Abschaffung oder zumindest Aushöhlung oder Unterminierung familialer Muster bzw. Bilder ‒ wird allerdings auf der symbolischen Ebene zugleich dementiert: Nicht zufällig nimmt der T-1000 die Gestalt des Gesetzeshüters an! Ab der ersten ‒ und damit für ihn endgültigen Metamorphose ‒ erscheint er als Verkörperung des Gesetzes, das sich immer wieder neu in alter Form darstellt. Man mag dies einerseits vielleicht als deutliche Kritik an der sozialen und staatlichen Institution der Polizei (ins-besondere in ihrer Erscheinungsform in den USA) deuten; es weist darauf hin, dass sowohl Drehbuch-schreiber wie auch Regisseur ‒ und damit auch alle Zuschauer ‒ und die gesamte Gesellschaft, hier be-sonders die autofahrende, amerikanische Gesellschaft ‒ traumatische Erfahrungen mit dieser Institution ‚Ordnungshüter‘ im Film abarbeiten bzw. abreagieren können. (In amerikanischen Filmen bedient diese Tatsache ein weitbekanntes Klischee.) Der ‚thrill‘ des T-1000 gewinnt aber dadurch eine zusätzliche Stei-gerung durch die beständige Wiederkehr dieses Unheimlichen (großen) Anderen, was die Angst vor diesem unheimlichen Zeitgenossen zu erklären vermag. Wichtiger und deutlicher ist andererseits die im Film durchgehend aufs Publikum übertragene Befriedigung und Erwartungssicherheit, die ‒ nach der ersten Ent‒Täuschung beim Wiederauftauchen des T-1000 aus dem Feuersturm – das ‚unheimliche‘ Wiedergängertum des Gesetzeshüters auslöst; die anfängliche unangenehme Überraschung wandelt sich bald zu einer Art freudiger Erwartung, dass diese Figur, in der sich das Gesetz repräsentiert, immer wieder auftaucht ‒ oder genauer: dass er nicht totzukriegen ist!
Der Film spielt hier gezielt mit der Angstlust und beutet hier schamlos das Gefühl aus, das mit dem GESETZ verbunden ist: Das oder der große Andere ‒ als Vertreter der symbolischen Ordnung ‒ ist nicht auszurotten, er ist unzerstörbar; und das rührt daher, dass es (oder er) zugleich auch Garant dessen ist, was das ‚Menschliche‘ ausmacht: er ist in jeder sprachlichen Aussage oder Äußerung bis zur Stimme des Gewissens immer präsent. Die symbolische Ordnung ist demnach nicht nur omnipotent, sondern auch omnipräsent: sie ‚sieht‘, überwacht, verfolgt alles, was sich ‒ anscheinend ‒ nicht der (rechtlichen, kulturellen und sozialen. d.h. menschlichen) Ordnung fügt, und bestraft, ja tötet sogar alles, was sich dem widersetzt. Die Flucht eines John Connor wird damit zur Flucht eines jeden Zuschauers und einer jeden Zuschauerin ‒ vor dem Gesetz des Symbolischen. Auch der gemächliche T-1.01 nimmt hier nur eine vermittelte Funktion ein: nämlich die andere Seite, die Beschützerfunktion des Gesetzes, die sich jedes Kind gegenüber der allumfassenden Macht dieses großen Anderen erhofft; z.B. als Vater, als großer Bruder oder als Freund (wie im berühmten Western „Mein großer Freund Shane“ von George Stevens, 1953) ‒ also: der gute Kumpel, der Beschützender, der die andere, die Wunsch-Seite, des unerbittlichen und unmenschlichen Gesetzes verkörpert.
Die konkurrenzlose Mächtigkeit des T-1000-Polizisten ‒ trotz tausenderlei im Film begangenen of-fenkundigen Gesetzesübertretungen (Autojagden, Sach- und Personenschäden …) tritt kein anderer Gesetzeshüter auf, der sich, wie im ‚wirklichen‘ Leben dem Treiben der beiden Terminatoren (ja nicht einmal den gesetzeswidrigen Umtrieben Klein-Johns) entgegenstellt! (16) ‒ beherrscht von Anfang bis zum Ende das Filmgeschehen, und das im Unterschied zu den allbekannten unterschiedlichen Instituti-onen von «Polizei» in unserer Lebenswelt (Polizist, Kriminalbeamter, Spitzel, Undercover-Agent, Spion, „Schläfer“…). Der abstrakten Macht des Gesetzes in Terminator-2 kommt hier eine systematische Funktion zu: ist doch der Psychoanalytiker Jacques Lacan nicht müde geworden zu verdeutlichen, dass der große Andere sich gerade dadurch auszeichnet, dass er keine Gestalt hat, sondern die zentrale Funktion im sozialen wie individuellen Leben der Menschen erfüllt. Begreiflich wird diese Funktion ausgerechnet an der obsessiven Verfolgung der Mutter ‒ und erst in zweiter Linie des Sohnes, der doch gemäß des Auftrags aus der Zukunft das eigentliche Ziel, d.h. des ‚Terminierens‘ sein müsste!
Wie in Freuds Geschichte des Kleinen Hans scheint ausgerechnet die Mutter der böse Geist zu sein, der unter allen Umständen zu bekämpfen ist und dem deshalb im Film alle Aggression des T-1000 gilt. Und Lacan hilft uns anhand seiner Deutung des Freud’schen Falls vom Kleinen Hans, die dunklen Triebkräfte dieser Familienkonstellation zu entdecken.
Der Tod von John Connors Vater lässt einen Platz leer, der – nach der psychoanalytischen Theorie ‒ ursprünglich dazu ausersehen ist, die Trennung des Kindes von der Mutter zu bewerkstelligen. Die überaus intime Beziehung zwischen Sarah Connor und ihrem Sohn John wird an vielen Stellen des Films deutlich. Bei Sarah zeigt sich ein Begehren nach over-protecting, indem sie alles nur Mögliche versucht, um aus dem Gefängnishospital zu entrinnen, mit dem stetig wiederholten Argument bzw. der Bitte, für ihren einzigen Sohn da sein zu müssen. Von Aggression zu Verstellung ist ihr kein Mittel zu schade, um dieses Ziel zu erreichen. Nach ihrer Befreiung braucht es eine lange Zeit, bis zu jenem projektiven Bild, in dem sie sich selbst einredet, dass der T-1.01 endlich den großen erwarteten Beschützer (Vater?) repräsentiert, den sie ihrem Sohn gewünscht hat; bis zu diesem relativ späten Zeitpunkt im Film ist sie voller Misstrauen gegen alle Männergestalten, mit denen sie zu tun hat. Dass sie ihrer eigenen Vater-Vision aber nicht total Glauben schenken will oder kann, lässt sich daraus ersehen, dass sie nach dieser eben zitierten Szene selbst die ‒ männliche ‒ Rächerrolle übernimmt und die Aufgabe der ‚Terminierung‘ ‒ nicht nur des umstrittenen Computer-Chips, sondern ‒ des Erfinders des Chips, Dyson, übernimmt. Dass sie dabei gleichsam das ‚rationale‘ Ziel verkennt, kann nur durch die Intervention des virtuellen Vaters T-1.01 wieder gut gemacht werden. ‒ Allerdings auch durch eine recht wenig plausible und so gut wie gar nicht psychologisch begründete ‚Bekehrung‘ des eigentlichen Verursachers der ganzen Film-Intrige, nämlich eben des Erfinders Dyson, der plötzlich und unerwartet vom (technik-begeisterten) Saulus zum (menschheitsrettenden) Paulus wird. Was Sarah von der Vernichtung des vermeintlichen Täters abhält, ist die ebenso überraschend einsetzende Erkenntnis, dass sie durch die Terminierung Dysons der Familie den Vater (!) nehmen würde, den sie sich für ihren eigenen Sohn so sehr gewünscht hat. Das Wiedererkennen ihrer eigenen Familienkonstellation im Bild der Dyson-Familie fungiert als Tötungshemmung. ‒ Der Parizid ist tabu.
Aber auch ihr Sohn John präsentiert sich als unlösbar in die Mutter-Kind-Dyade verstricktes Kind, und das trotz, oder genauer: gerade weil er seine Mutter in Worten disqualifiziert; seine Anhänglichkeit wird dokumentiert durch die absolute Ablehnung der Adoptiveltern und durch die kriminelle Energie wie auch die Waffenvernarrtheit (deren Ursprung wir später bei der Mutter entdeckt bekommen); John geht sogar so weit, dass er seine menschenrettende Mission zugunsten der Rettung der Mutter vernachlässigt ‒ und noch dazu den Beschützer-Terminator T-1.01 dazu bringt, seinen Auftrag zu vergessen bzw. in Frage zu stellen; verstärkt wird die Bindung an die Mutter noch durch die Beschuldigung des leiblichen Vaters, die Familie gleichsam allein gelassen zu haben (woraus durchaus die Klage zu hören ist, dass der abwesende Vater den Sohn hilflos der Mutter ausgesetzt hat).
Zwar tut der gutmütige T-1.01 sein Möglichstes, um die inzestuöse Bindung von Mutter und Kind etwas zu lockern, doch erfolgreich kann dies erst die Unerbittlichkeit sein, mit der der T-1000 als Hüter des Gesetzes den Körper der Mutter heimsucht.
Er tut das nicht nur durch die Tötung der Adoptivmutter, sondern vor allem in den letzten Szenen in der Stahlfabrik, wo er den Körper Sarahs mit seinen stählernen Schwertfingern durchbohrt und sie da-durch bis zum finalen Ende (des Films, der Terminatoren) leiblich (und psychisch) schwächt – und sie zu jenem Krüppel macht, der der Wiedereinsetzung von T-1.01 in die Vater- und Retterrolle bedarf. ‒ Nicht zufällig widersteht sie lange dem Wunsch des T-1.01 nach dessen eigener ‚Termininierung‘; und die Tränen des kleinen John sollen vielleicht auch die endlich geleistete Trauerarbeit über den Verlust des Vaters dokumentieren. Beide – Sohn und Mutter ‒ setzen durch die Terminierung des virtuellen Vaters den Schlusspunkt ihrer jeweiligen Trauerarbeit über den verlorenen Vater bzw. Ehemann und können so das Gesetz der Kastration annehmen. Und so lässt sich sogar der obsessive Verfolger T-1000 am Ende als Teil-Wiedergänger des abwesenden Vaters deuten, der einzig und allein aus der vergangenen Zukunft zurückgekommen ist, um das unabgeschlossene Werk der Trennung zu vollziehen. Das glühende Stahlbad versinnbildlicht ein Begehren, das gleichsam ‚erfüllt‘ ist vom Gesetz. Vielleicht müssen wir uns nun keine Gedanken mehr über die Mutter-Kind-Dyade machen, die am Ende des Films zurückbleibt.
V.
Kants «Judgement Day»
Aus der Perspektive des Gesetzes ist es bemerkenswert, wie andererseits das Auslaufmodell T-1.01 gewissermaßen als dem Menschen näherstehender Servon durch das Kind verändert wird und neue Gesetze ‚dazulernt‘ ‒ T-1.01 ‚menschelt‘ gleichsam und wird ein wenig in die Menschenwelt eingeführt, und das lässt ihn die Vater-Funktion noch besser und sympathischer ausfüllen. Der alte Terminator wird gewissermaßen zum Haustier, er befindet sich hier in etwa auf der Ebene der Hauskatze und ‚lernt‘ vom jungen John Connor (das Kind als Lehrer, wer hat das nicht selbst schon genussvoll erfahren?!) jene Roboterregeln, die seit Asimow (17) die Grundregeln jedem menschlich erschaffenen Roboter implementiert sind:
Regel 1: «Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder durch Untätigkeit zu Schaden kommen lassen.»
Regel 2: «Ein Roboter muss den Befehlen eines Menschen gehorchen, es sei denn, solche Befehle stehen im Wider-spruch zum ersten Gesetz.»
Regel 3: «Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, es sei denn, dies würde das erste oder das zweite Gesetz verletzen.»
John Connor bringt „seinem“ persönlichen Terminator genau die 1. Regel auf der Basis der 2. Regel (also quasi als nachträgliche Verursachung) bei. (18)
Freilich bleibt T-1.01 letztlich bloß ein „Servon“ des 1. Gesetzes, das genau nach der Handlungsan-weisung des bekannten Kant’schen Kategorischen Imperativs formuliert ist: „Handle so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ Da er selbst ein Servon mit eben jenem Computerchip ist, den es in der Vorzeit der Maschinenherrschaft zu zerstören gilt, lässt er sich am Ende selbst destruieren ‒ „terminieren“ ‒ und verwirklicht hier den Kant’schen Imperativ in seiner de Sade’schen Konsequenz (wie das Jacques Lacan aufgedeckt hat): Der abstrakte kategorische Imperativ der absoluten Selbsterhaltung führt in letzter Konsequenz zu Selbstauslöschung aufgrund seiner rein monologischen Struktur-Logik, die den (Freud’schen) „Nebenmenschen“ nicht kennt. ‒ Am deutlichsten wird das in Kants Darstellung und absoluten Ablehnung der Lüge, am Beispiel des von Mördern Verfolgten: Die Einhaltung der abstrakten Moral (als absolute Pflichtethik) führt zur Destruktion jeglicher humaner und humanitärer Moral.
Wir aber erfahren diese beständige Wiederkehr des ‒ raum- und zeitlosen, abstrakten ‒ Gleichen (Nietzsche) deshalb als Beruhigung, weil sie immer wieder in derselben Gestalt erfolgt. Die Identität der Verfolgungsinstanz als großer Anderer dient der Befriedigung und genau wie im realen Leben: als ima-ginäre Befriedung der menschlichen Gesellschaft. ‒ Erst am Ende wird dem Zuschauer eine ‚Lösung‘ geboten, die aber letztlich nur eine Scheinlösung ist; denn zuvor schon hat sich T-1000 aus dem LKW-Crash und dem Feuer, der Vereisung (also dem Gegenteil des Feuers) neu generiert. Warum sollte er ausgerechnet im Stahlbad ein- für allemal verschwinden? Die Verflüssigung des T-1000 in einem Bottich von Flüssigmetall lässt seine Resurrektion für die Zuschauer plausibel – und beruhigend – werden: Dieser große Andere als Gesetz wird wieder kommen: selbst in seiner Absenz wird er immer präsent sein – oder genauer: gerade die Absenz (der Vatermord) macht ihn in Form des Gewissens zum unheimlich Präsenten.
Diese Frage von immerwährender Präsenz in der Absenz vice versa wird aber, genau wie die Frage, was die überlebenden Menschen machen, wenn es den großen Anderen nicht mehr gibt, im Dunkeln gelassen. Ist eine menschliche Existenz ohne großen Anderen überhaupt denkbar? Wünschbar?
Gehen wir der Bildgeschichte am Schluss nach, dann können wir die Frage negativ beantworten: Der Todeskampf des großen Anderen spielt sich einerseits ab als eine rückwärtsgespulte Bildabfolge der Form-Identitäten des T-1000 (analog zur stimmlichen Regression in Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“, als HAL ausgeschaltet wird), andererseits zitieren die Todeskampf-Bilder wie Edvard Munchs „Der Schrei“ ‒ wenn auch deplatzierterweise MIT Schrei ‒ und die sog. Maske des Agamemnon aus Schliemanns Schatz von Troja: Beides, der eigentlich tonlose Schrei eines Menschen in höchster Not wie auch die Rückprojektion in die früheste Archaik der abendländischen Kultur, verweist ebenfalls auf eine Zukunft und stellt die Frage, ob die menschliche Kultur ohne den großen Anderen wirklich glücklich wäre. ‒ Bedenkt man zudem noch, dass die Mutter-Kind-Dyade nach dem Abgang der beiden Ter-minatoren – als gleichsam geteilte große Andere ‒ nahezu vollständig wäre, kann man das mit guten Gründen bezweifeln, ja hoffen!
VI.
Kinematographischen Verausgabung
Schließlich noch einige Bemerkungen zum Schluss-Feuerwerk des Films.
Terminator-2 steht in einer Tradition von Filmen, die seit einiger Zeit immer mehr von den special-effects leben; die entsprechenden Szenen voller pyrotechnischer Effekte sind weder zufällig noch durch irgendwelche Drehbuchlücken oder –schwächen zu erklären, machen sie doch vor allem das Filmische an den Filmen aus.
Der Kinematograph ist, wie Lyotard treffend formuliert hat (19) ein Auf- oder Einschreibungssystem für Bewegungen; Bewegungen sind im Film von mannigfaltiger Art: es gibt die Bewegungen der Schau-spieler, der im Film bewegten Gegenstände, Bewegungen der Kamera, des Lichts, der Farben, des Bild-ausschnitts, der Brennweite, die Übergänge (Montagen), den Schnitt; dazu kommen die Ton- und Wort-bewegungen. Die Beherrschung der Kinematographie besteht letztlich in den Eliminierungen einer gan-zen Reihe von Bewegungen; denn wenn man eine solche Aussonderung nicht unternimmt, wäre das seitens der Regie eine Akzeptierung des Zufälligen! So werden z.B. Unschärfen, Falscheinstellungen, Verwackeltes, unlogisch erscheinende Bildausschnitte, Montagen oder Schnitte etc. eliminiert: „Keine Bewegung, woher sie auch rühren mag, wird dem Auge-Ohr des Zuschauers als das gezeigt, was sie ist: als eine sterile Differenz.“ (Lyotard; a.a.O.; S.26) „Es gibt Regeln der Repräsentation für die Lokalisierung im Raum, Regeln der Narration für die Strukturierung der Sprache, Regelns des Genres ‚Filmmusik‘ für die Tonspur.“ (ib.) Der Realitätseindruck, den der Zuschauer erhält, ist in Wirklichkeit ein „Ordnungszwang“. Er gehorcht dem einfachen Dispositiv der Wiederholung des Gleichen und ist insofern nichts anderes als eine „Re-venue“, eine Wiederkehr des Werts (im Sinne der politischen Ökonomie), m.a.W. der Produktion.
Psycho-ökonomisch gesehen folgt diese Produktion dem sog. Fortpflanzungstrieb, und nicht etwa der Lust, wie sie Sigmund Freud in seinem Aufsatz „Jenseits des Lustprinzips“ dargestellt hat. Die Lust als Eros, so Freud, versteckt ihre Todeskomponente in der Genitalität als Wiederholung, treibt aber über die Fortpflanzung immer auch hinaus, weil die libidiösen Kräfte dieses Dispositiv transzendieren. Zu beobachten ist das schon am einfachen Kinderspiel, z.B. am Anzünden eines Streichholzes: „Wenn das Kind, um zu sehen, was passiert, den roten Streichholzkopf einfach so anstreicht, liebt es die Bewegung, die Farben, die sich ineinander verwandeln, die Flamme, die auflodert, den Glanz des Lichts, den Tod des kleinen Holzstückes, sein Zischen.“ (Lyotard; S.27) All diese Phänomene sind letztlich Differenzen, die zu nichts führen ‒ außer zu einem Ver‒Lust. Die Verbindung des Akts des Anstreichens und des Verbrennens ist selbst eine paradoxe Verbindung: in ihm verknüpfen sich zwei Pole, nämlich der der Bewegungslosigkeit und der des Bewegungsexzesses. „Es schafft reine, d.h. nutzlose Simulakra, Lustintensitäten, an Stelle von produktiven, konsumierbaren Objekten.“
Die Bewegungen im Kino zeigen aufgrund ihrer Inszenierung im Allgemeinen eine Wiederkehr des Gleichen und nicht jene Lust des Kinderspiels. Dennoch kommen Filme nicht aus ohne zumindest in Ansätzen diese Lust zu evozieren. Der Film (als eingeschriebene ‚Haut‘) bietet hierbei einen „privilegierten Ort libidinöser Besetzung“: „wenn das lebende Bild ganz allgemein ein bestimmtes libidinöses Potenzial enthält, so weil es zwischen der theatralischen Ordnung und der ökonomischen Ordnung Kommunikation stiftet, so weil es «ganze Personen» als einzelne erogene Zonen benutzt, an denen sich die Triebe des Zuschauers festmachen können.“ (A.a.O.; S.39).
Im Terminator-2 geschieht dies ansatzweise in den action-Szenen, die nicht von ungefähr in Analogie zu Feuerwerken inszeniert sind: das Bilder-Feuerwerk der special effects kommt hier in etwa dem kindli-chen Feuerwerk des Streichholzspiels nahe, weil es die pure Verausgabung (an Material, Technik, Farbe, Montage, Schnitt etc.) simuliert. Das Szenario des Weltuntergangs durch die Herrschaft der Maschinen kündigt sich mehrmals in der Vision Sarah Conners am Bild der Explosion einer Atombombe an, deren Lichtblitz die Körper der Menschen zu Skeletten werden lässt. Die Faszination zeigt alle Elemente des Streichholzspiels ‒ bis hin zum Tod der Menschen als letztlich sinnlose Verausgabung. Die Wiederho-lung rührt an jenes paradoxe Dispositiv des, wie Lyotard es nennt, «A-Cinéma», das sich auf der Grenze der Wiederkehr des Anderen aufhält.
Zugleich sind diese Szenen aber auch zu lesen als Allegorie der Verausgabung der Technik selbst: sie werden allein dazu inszeniert, eine Technik zu zeigen, die sich am Ende selbst zerstört; denn wie Hei-degger schon gesagt hat, kann, wenn überhaupt, die Technik sich nur selbst destruieren, und zwar genau nach dem obersten Imperativ, das die idealistische Philosophie hervorgebracht hat. Das stimmt zumindest aus menschlicher und Zuschauer-Perspektive hoffnungsfroh.
Und wenn das Licht im Kino wieder angeht, verschwinden auch die technisch-reproduzierten Lein-wandbilder mit ihren beängstigenden und zugleich beruhigenden Wirkungen: Wie in der griechischen Tragödie geht das Publikum (durch die Katharsis) ‚gereinigt‘ aus dem Saal und findet sich wieder erneut dem unwägbaren Ereignis ausgesetzt.
VII.
Literatur
Asimow, Isaac: Roboterträume, 2004, in: Katrin Bucher/Peter Pakesch/Andres Pardey/Roland Wetzel: Roboterträume, Basel-Graz (Museum Tinguely-Kunsthaus Graz) 2010
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Bataille, Georges: Das theoretische Werk ‒ Die Aufhebung der Ökonomie, Band 1, o.O., o.J.
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Die Terminator-Story. Aus dem Waschzettel der German Ultimate Edition von TERMINATOR 2
Freud, Sigmund: Jenseits des Lustprinzips (1920), in: S.F. StudA. Band III, Frankfurt am Main
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ders.: Rewriting the Soul: Multiple Personality and the Sciences of Memory, Princeton (Princeton University Press)
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Heidegger, Martin: Zollikoner Seminare, Frankfurt am Main (Klostermann), 3. Auflage 2006
ders.: Die Technik und die Kehre, Pfullingen (Neske) 1988
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Kaufmann, Pierre (Hg.): L’apport freudien – Éléments pour une encyclopédie de la psychanalyse, Paris (Bordas) 1993
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Lyotard, Jean-François: Intensitäten, Berlin (Merve) 1978
ders.: Essays zu einer affirmativen Ästhetik, Berlin (Merve) 1982
ders.: L’Acinéma, in: ders.;1982, S.25ff.
Platon: Sophistes, in: ders.: Sämtliche Dialoge, Band VI, Hamburg (Meiner) 1998
Schmidgen, Henning: Über Maschinen und Organismen bei Canguilhem. Nachwort zu: Canguilhem 2006, S.157-178
ders., Begriffszeichnungen über die philosophische Konzeptkunst von Gilles Deleuze, Vortrag am ZKM Karlsruhe, 26.6.2003
ders.: Ästhetik und Maschinismus, Berlin (Merve) 1995
ders., Das Unbewusste der Maschinen – Konzeptionen des Psychischen bei Gilles Deleuze und Lacan, München (Fink) 1997
***
TERMINATOR ‒ JUDGMENT DAY, Produktion: Carolco Pictures, Le Studio Canal+, Lightstorm Entertainment, Pacific Western – Verleih: TriStar Pictures – Regie: James Cameron ‒ Buch: James Cameron und William Jr. Wisher – Musik: Brad Fiedel – Darsteller: Edward Furlong (John Connor mit 10 Jahren), Linda Hamilton (Sarah Connor), Robert Patrick (T-1000), Arnold Schwarzenegger (The Terminator T-1.01), Earl Boen (Dr. Peter Silber-mann), Joe Morton (Miles Bennet Dyson), Xander Berkeley (Todd Voight), USA 1991
VIII.
Anmerkungen
1) Martin Heidegger, Der Satz der Identität, in: ders.: Identität und Differenz, S.29f.
2) Die Übersetzung Heideggers korrigiert eine gängige Übersetzung: „Nun ist doch wohl jedes von ihnen von den zwei anderen verschieden, mit sich selbst aber einerlei.“ Vgl. Platon, Sophistes, Hamburg 1998; S,101.
4) Dass dieses Wesen dann am Ende doch ‚stirbt‘, wirft die Frage auf, ob dieses Enden tatsächlich ein Sterben ist, das wir eigentlich nur dem Menschen zuschreiben. Im Grunde ist dieses Verenden – wie Heidegger es bei einem Tier sagen würde ‒ eine Rückkehr in den Urstoff seiner Herkunft: das Flüssigmetall bzw. das Feuer, aus dem es aber letztlich wiedergeboren werden kann; so haben wir das ja zuvor schon einmal erlebt. ‒ Die Fortsetzung des Sequels vom TERMINATOR ist also hier schon angelegt: Terminator 3.
5) Vgl. Heidegger, Zollikoner Seminare; bzw. ders., Die Frage nach der Technik); Heidegger glaubt, im Sinne der Griechen zu sprechen, wenn er den Begriff „Ursache“, „causa“ wie er im Lateinischen verwendet wird, nicht benutzt: er meint, dass so etwas wie eine ‚Ursache‘ im Sinne unserer modernen Naturwissenschaft im antiken Griechenland nicht verstanden worden wäre; er schlägt demge-genüber den Begriff ‚Schuld‘ oder ‚Verschulden‘ vor. Wir behalten aber den modernen Begriff bei. ‒ Als Beispiel nimmt der die Verfertigung einer silbernen Opferschale, die dem Dient der Götter geweiht ist.
6) M-Heidegger, Die Frage nach der Technik, S.7f.
7) Der Roboter ist auch deshalb ursprünglich in Menschengestalt konzipiert, weil er dem Menschen als Arbeitssklave dienen soll (vgl. der Name ‚Roboter‘). Nur sog. „aliens“ lassen den Künstlern und „special effect“-Leuten beim Film Platz zur anderen, sogar absurden Kreationen (vgl. H.R. Gigers „Alien“).
8) Auch hier stellt sich die Frage, wie ein Rechner-‚Gehirn‘, das alles mittels alphanumerischen Zahlen zugewiesen bekommt, daraus eine Erkenntnis, ein Gefühl etc. bekommen kann; der Rechner müsste die empfangenen Daten mit anderen vorher eingespeicherten Daten vergleichen können und daraus Schlüsse ziehen – was bei „logischen“ Operationen durchaus gelingt (vgl. Schachcomputer) oder etwa auch bei sensorischen Informationen. ‒ Die Möglichkeit, einem Blinden Lichtsensoren in die Netzhaut einzupflanzen, gelingt heute schon, doch das Erkennen der Bilder muss noch immer das menschliche Gehirn leisten!
9) Was sagt einem Rechner schon die numerische Zahl, die einen Leib von einer Maschine unterscheidet? ‒ Es bedarf der Ent-schlüsselung der Codes, und dazu muss der Roboter das Wahrnehmen und Denken eines Menschen angenommen haben – denn von diesem Vorbild stammt ja das „Scanning“ und dessen alphanumerische Umcodierung.
10) D.h. sich sozusagen an sie anlehnen; vgl. Canguilhem, a.a.O.; S.136.
11) Nur zur Ergänzung mag darauf hingewiesen werden, dass die Mehrzahl der menschlich konstruierten Maschinen zeitgleich mit dem take-off des Industriekapitalismus entstanden sind und als Vorbild die handwerkliche Arbeitsteilung, z.B. in der frühen Manu-faktur, haben: Die Arbeit wird in kleine, einfache, identische und sich wiederholende Einzelbewegungen aufgespalten, die als Krite-rien einzig das Kalkül des Preises ‒ Einkommen oder Lohn ‒, die Arbeitszeit haben; am Ende wird so aus einem qualitativen Pro-zess schließlich ein quantitativer: Das Kalkül der Arbeit als reine Quantität, die der mathematischen Berechnung zugänglich ist, ist die Basis und der Ursprung einer mechanischen Konzeption des universellen Lebens! Vgl. Canguilhem, a.a.O.; S.139.
12) Bartels, Cyborgs, Servonen, Avatare ‒ Über semiotische Prothetik, Köln 2005; S.13.
13) Bartels, a.a.O.; S.16) - Freilich im Unterschied von Servonen, die zur Funktionseinschränkung oder -aufhebung eingesetzt werden, z.B. bei abweichendem sexuellen Verhalten bzw. Kontrollservonen oder Destruktoren wie Handschellen, die die Psychiatrie oder das Gefängnis! Vgl. dazu: Clynes, Manfred E., Cyborg II: Sentic space travel, in: Gray (1996), S.35-42; Clynes, Manfred E./Kline, Nathan S., Cyborgs an space, in: Gray (1996), S.29-33.
14) Mercedes Bunz, Das Denken und die Digitalisierung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Bilder und Zeiten, vom 22. Januar 2011, S. Z1. Auch wenn ‒ wie das Pseudonym anzugeben scheint ‒ dieser Artikel distanzierend-ironisch gemeint sein mag, so transportiert er dennoch eine Wahrheit, nämlich die des Endens der traditionellen Familienkonstellation. Und das wurde schon lange zuvor in den theoretischen Versuchen eines Félix Guattari und Gilles Deleuze proklamiert. Vgl. z.B. dies., Anti-Ödipus; dies., Mille Plateaux.
15) Félix Guattari, Die Couch des Armen, in: ders., Mikro-Politik des Wunsches, 1977; S.82f.
16) Man könnte versucht sein, dies alles so zu deuten, dass dem Zuschauer hier schon ein Blick in die recht anar-chistische Zukunft des technik-beherrschten und –beherrschenden Menschengeschlechts gewährt wird! Das Ur-prinzip der bürgerlichen Gesellschaft ‒ das unverletzliche Recht auf Eigentum ‒ wird gerade von Klein-John subvertiert. ‒ Ein Menetekel für die US-Gesellschaft, das im Verlauf des spektakulären Finales von Terminator-2 unsichtbar ‒ oder: unbewusst ‒ gemacht wird! ‒ Freilich, so könnte ein James Cameron argumentieren, gehört diese Vision letztlich einer ‚falschen‘ Welt an, die durch John bzw. dem Terminator T-1-01 erst wieder ‚eingerenkt‘ wird.
17) Vgl. Asimow, Isaac: Roboterträume, 2004, in: Katrin Bucher/Peter Pakesch/Andres Pardey/Roland Wetzel: Robo-terträume, Basel-Graz (Museum Tinguely-Kunsthaus Graz) 2010
18) An die sich Arnold Schwarzenegger noch im späteren Interview erinnert: "Ai dit not kill änibady in sät Muwie.'' (zu Terminator 3)
19) Vgl. J.-F. Lyotard, L‘Acinéma, in: ders. Essays zu einer affirmativen Ästhetik.
Hans-Peter Jäck, Frankfurt am Main, Februar 2011 (V4)