جمعه

»Ich möchte nicht mehr als Politikobjekt betrachtet werden«
Interview: Denise Müller

Der iranische Lyriker Mahmood Falaki im Interview über seine Flucht nach der Revolution und warum er nach 27 Jahren in Deutschland nicht mehr als
. Exilliterat gesehen werden will

?zenith: Wann waren Sie zum letzten Mal im Iran
.
Mahmood Falaki: Vor sieben oder acht Jahren. Das war, als ich
.nach 20 Jahren zum ersten Mal nach Iran gegangen bin

?Wie war das
.
Ehrlich gesagt, war ich enttäuscht. Das hat nichts damit zu tun, dass die
Menschen oder die Gesellschaft schuld haben oder anders sind – ich war
.anders

.Sie leben jetzt auch länger in Deutschland als im Iran
.
Ja. Deswegen sage ich auch, Hamburg ist meine Heimat! Manche leben
hier 30, 40, 50 Jahre und wollen immer noch zurück – wenigstens im
.Kopf. Sie leben in der Vergangenheit

Ihre Bücher »Die Schatten« und »Carolas andere Tode« sind in Iran
?verboten. Wissen Sie warum
.
Das hat mit religiösen Gedanken zu tun. Und auch die erotischen Szenen
Das wird zensiert. Bei »Carolas andere Tode« ist es überwiegend wegen
.erotischer Szenen, denn das Buch ist überhaupt nicht politisch

?Sie saßen im Iran drei Jahre im Gefängnis. Warum
.
Das war in der Schah-Zeit, vor der Revolution. In dieser Zeit waren wir
.eine Gruppe von Studenten, die gegen die Diktatur gekämpft haben
Einer von uns wurde verhaftet und unter Folter hat er unsere Namen
genannt. Natürlich dachten wir, er hat uns verraten. Aber wenn man
nicht gefoltert wurde, weiß man nicht, was das ist. Man ist kein Mensch
mehr. Wegen dieser illegalen Arbeit – sie war politisch illegal, weil wir nicht
gegen das Regime schreiben durften – war ich drei Jahre im Gefängnis
.und habe gebüßt

Was war der ausschlaggebende Grund dafür, dass Sie den Iran verlassen
?haben
.
Nach der Revolution durften alle aktiv sein – wählen und gewählt werden
Wir haben sozusagen Demokratie geschnuppert. Aber allmählich haben sie
einen nach dem anderen verhaftet oder hingerichtet. Aus den Gründen
.musste ich einige Zeit im Untergrund leben

?Sie wussten also, dass Sie gesucht werden
.
Ja. Meine Kameraden wurden verhaftet und ich musste im Untergrund
leben, fast zwei Monate, dann konnte ich mit meiner Frau illegal das Land
.verlassen

?Und Ihre Tochter
.
Als wir das Land verlassen wollten, war sie 11 Monate alt. Wir mussten sie
da lassen. Nach zwei Jahren konnte meine Schwester sie als ihr Kind
.mitbringen. Da war sie drei! Wir mussten uns dann erst wieder näherkommen
.Wir waren für sie fremd, sie war für uns fremd

Was in Europa zwei oder drei Jahrhunderte dauerte, habe ich
plötzlich vom
einen Tag auf den anderen bekommen


Ist das nicht das schlimmste an der Geschichte – dass Sie Ihre Tochter
?zurücklassen mussten
.
Wenn man in einem Land lebt, wo gefährliche Situationen vorkommen
können, und man entscheidet sich gegen das Regime zu kämpfen, dann
muss man schlimmste Sachen erwarten. Viele schlimme Sachen habe ich
erlebt, aber für mich ist das jetzt alles Vergangenheit. Es ist ein Teil meines
.Lebens, ich bereue nichts. So war ich, ich konnte nicht anders sein

?War Deutschland ein großer Kulturschock für Sie
.
Es war einfach fremd. Ich kannte die europäische Kultur einigermaßen
,durch Lektüre. Ich kannte europäische Geschichte, Aufklärung
Säkularisierung. Theoretisch war das also nicht fremd. Aber praktisch
.ist es etwas anderes. Wir versuchten, im Iran, Demokratie zu schaffen
Aber plötzlich war ich in einem Land, in dem alles vorbereitet war für
mich. Was in Europa zwei oder drei Jahrhunderte dauerte, habe ich
,plötzlich vom einen Tag auf den anderen bekommen. Es war nicht leicht
.das alles zu verdauen

Es war für Sie als Schriftsteller sicher ein Segen, dass es hier kein
.Zensuramt gab
.
Die einzige Zensur war die Sprache! Jeder Immigrant leidet unter der
Situation, in der er sich nicht präsentieren kann, weil er die Sprache nicht
beherrscht. Aber ein Schriftsteller leidet mehr. Plötzlich verliert man seine
literarische Sprache und sein Publikum. Das war für mich noch schlimmer
.als etwas anderes. Deswegen habe ich meine Werke übersetzen lassen
Oder, in den letzten Jahren, versucht, selbst auf Deutsch zu schreiben. Aber
,das ist nicht wie eine Muttersprache. Ich habe trotzdem versucht zu zeigen
ich bin da, ich kann auch etwas! Das war nicht leicht und ist immer noch nicht
.leicht, nach fast 27 Jahren

Wenn ich hier lebe, mich wohlfühle, ist meine Arbeit dann immer noch
?Exilliteratur

?Haben Exilliteraten gemeinsame Themen
.
Wenn man sagt, ich bin Exilliterat, denken viele Menschen sofort an die
,politische Situation des Menschen einerseits und andererseits, inhaltlich
,denken sie, alles, was geschrieben wird, ist politisch. Exilliteratur, für mich
ist von Leuten geschaffen, die aus einem anderen Land sind, wo sie unterdrückt
wurden, und die im Exil ihre Arbeit machen, egal zu welchem Thema. Zum
Beispiel schreibe ich jetzt Gedichte – einmal über die Geschichte mit zu
.Guttenberg. Das hatte nicht mit Iran zu tun, sondern mit deutscher Kultur
Ist das Exilliteratur? Wird man allmählich ein Teil der Kultur des Gastgeberlandes oder nicht? Wenn ich hier lebe, mich wohlfühle, ist meine Arbeit dann immer noch Exilliteratur? Wie ich selbst erlebt habe, hat Exilliteratur verschiedene Phasen. Am Anfang ist man verirrt, verwirrt. Ich habe auch selbst viele Gedichte geschrieben, das sind Schreie gegen das Regime, gegen die, die Schuld haben, dass du überhaupt im Exil bist. Das ist eine Phase. Dann merkt man, ich kann nicht zurück – nicht in kurzer Zeit zumindest – ich muss hier eine Weile bleiben. Dann kommt die Nostalgie, man denkt an die Kindheit oder was man so erlebt hat in seinem Land und man findet auch bei mir viele Werke, die
.durch Nostalgie geschrieben sind

?Die Schatten zum Beispiel
.
Ja, zum Teil. Das hat viel mit Kindheit zu tun. In dieser Phase habe ich das
geschrieben. Dann kommt die Selbstentfremdung. Was bin ich, was mache
ich hier? Wie ich selbst erlebt habe, kann man auch diese Phase hinter sich
lassen, sich selbst als jemand, der hier lebt, nicht zwischen beiden Kulturen
schwebt, begreifen. Auch in dieser Phase schreibt man anders. Es ist schwer
.zu sagen, bis dahin oder bis dahin ist es noch Exilliteratur

Repräsentieren Ihre Gedichte, die in »Hier ist Iran!« erschienen sind, eine
?Auswahl aus diesen Phasen
.
Meine Gedichte, die in dieser Anthologie gedruckt worden sind, sind nicht
unbedingt in Verbindung mit verschiedenen Phasen verfasst worden. Wie
schon gesagt, nach langer Zeit im Exil schreibt man auch Gedichte oder
Erzählungen, die nicht unbedingt in die Kategorie »Exil« passen. Ich möchte
nicht mehr als Politikobjekt betrachtet werden. Aber über das Gedicht »Alle
Schuhe sind hier eine Nummer zu groß« muss ich sagen, dieses Gedicht ist
.ein Zeichen für Selbstfindung
............................................................................
Mahmood Falaki ist im Iran geboren und saß unter dem Schah drei Jahre
im Gefängnis, weil er sich gegen das Regime auflehnte. 1983 floh er nach
Deutschland. Heute hält der in Hamburg lebende Schriftsteller Vorlesungen
über persische Literatur und hat als Autor Gedichte, Erzählungen und
Romane veröffentlicht, zum Beispiel »Die Schatten« (2003) und »Carolas
andere Tode« (2009).

Das Interview wurde vom Zeitschrift ZENITH geführt und veröffentlicht



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