Kann in der Schweiz nun leben wie er es will: Hooman H.
Bild: Peter Lauth
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Als Schwuler im Iran
Von Thomas Knellwolf
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Hooman H. freut sich, dass er an der Euro-Pride in Zürich seine
Homosexualität nicht verstecken muss - anders als vor seiner Flucht
aus dem Iran
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«Im Iran darfst du nicht essen, was du willst, nicht trinken, was du willst,
nicht sagen, was du willst, und nicht lieben, wen du willst. Ausserhalb der eigenen vier Wände musst du immer eine Rolle spielen. Das konnte ich schlecht. Schon als Kind sagte ich immer, was ich denke. Das war ein Problem. Denn das Regime der Mullahs hat seine Ohren überall - in der Schule, an der Uni, auf der Strasse.
Auf dem Gymnasium bekam ich Probleme mit den Sittenwächtern. Und an der Uni nahmen die Schwierigkeiten zu, weil ich politisch aktiv war. Ich bin konfessionslos und Royalist, also Anhänger des Schahs. Früh wusste ich auch, dass ich schwul bin. Aber Homosexualität politisch zu thematisieren, bedeutet im Iran Selbstmord. Das tat ich nicht. Selbst vor meiner Familie habe ich geheim gehalten, dass ich einen Freund hatte. Und aus Angst vor Verrat sprach in meinem schwulen Freundeskreis niemand offen über das
Thema. Denn im Iran steht auf gleichgeschlechtliche Liebe die Todesstrafe.
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Dem Übersetzer fehlten die Worte
Sittenwächter haben mich mehrmals festgenommen und verhört. Nach äusserst unangenehmen Stunden in Haft liessen sie mich immer wieder frei. Doch ich flog aus dem Studentenheim.
Unsere Flucht haben wir nicht geplant. Eines Tages vor sechs Jahren erfuhren mein damaliger Freund und ich auf Kanälen, die ich nicht nennen kann, dass wir in Gefahr waren. Wir beschlossen, sofort unterzutauchen. Schlepper, denen wir viel Geld bezahlten, brachten uns in die Türkei. Aus Angst vor einer Rückschaffung flüchteten wir weiter in die Schweiz.
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Der Freund traute sich nicht
Obwohl wir uns wehrten, wurden wir im Welschland gewaltsam getrennt: Er kam in ein Asylheim nach Chiasso, ich nach Altstätten im Kanton St. Gallen. Mein Freund traute sich in einer Befragung nicht, zu sagen, dass er schwul sei. Denn der Zufall wollte es, dass die Tante des Übersetzers just in der Strasse der Familie meines Freundes in Teheran wohnte.
Auch bei mir waren die Befragungen unangenehm. Einer der Befrager hat mich angeschnauzt und mir Angst gemacht. Der Übersetzer - ein Afghane - besass keinen Wortschatz für die gleichgeschlechtliche Liebe. ‹Seit wann lässt du dich von Männern ficken?›, fragte er. Und er belehrte mich: ‹Denke nicht, dass das, was ihr tut, hier akzeptiert ist. Schwulsein ist auch hier nichts
Schönes.›
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Eine ländliche Gegend
Irgendwann wurde meinem Freund und mir ein Raum in einer ländlichen Gegend im Kanton Luzern zugeteilt. Ich will mich nicht beschweren, aber es war ein Saustall - doch immerhin ein Zimmer für uns zwei. Wir suchten verzweifelt nach Arbeit, aber weil uns die Ausschaffung drohte, wollte uns niemand.
Nach zwei Jahren lehnte das Bundesamt für Migration unser Asylgesuch ab. Bei einer Rückkehr in den Iran bestünde keine Gefahr, hiess es. Die Todesstrafe gegen Homosexuelle würde kaum vollzogen. Just in dieser Zeit
wurden im Iran aber zwei Schwule erhängt.
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Der Präsident prahlt
Wir legten mit Erfolg Rekurs ein und bekamen eine F-Bewilligung. Grund für das Asyl war unser politischer Einsatz und nicht etwa, dass wir als Schwule verfolgt sind. Der Schweiz scheint es egal zu sein, dass Präsident Ahmadinejad vor der Uno damit prahlt, im Iran gäbe es keine Homosexuellen. Dem Bundesrat sind wirtschaftliche Beziehungen zum Iran wichtiger als Menschenrechte.
Die Beziehung zu meinem Teheraner Freund ging in Brüche - vielleicht auch wegen der Anspannungen im Asylverfahren. Wir lebten in unseren Unterkünften zu eng aufeinander. Vor drei Jahren habe ich einen neuen Partner gefunden, mit dem ich glücklich bin. Wir haben unsere Partnerschaft eintragen lassen.
Das Homosexuellen-Festival Euro-Pride in Zürich ist für mich ein wichtiger Anlass. Kaum einer kann es wohl so geniessen wie ich, wenn er seine
Homosexualität nicht verstecken muss.»
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