شنبه
:Peter Zwey

Jorge Luis Borges

Ums Handwerkliche (1) geht es eigentlich nicht in diesen zauberhaften, jüngst erst ausgegrabenen Harvard-Vorlesungen des argentinischen Dichters Jorge Luis Borges, die er im Wintersemester 1967 /68 vor
. amerikanischen Studenten gehalten hat
Auch die Begriffe Dichter und Vorlesung selbst bekommen im Gedächtnis Borges’ einen
.anderen, man scheut sich zu sagen: neuen Sinn
Denn das Neue scheint eher ein moderner Mythos, ein vergilbter Fetisch
.denn eine ursprüngliche Verheißung zu sein

In den Überlegungen und Darlegungen Borges’ kommt uns alles scheinbar
.Vertraute von einer anderen Seite her heimlich-unheimlich entgegen
Das beginnt mit der „Aufgabe der Literatur“, welche wir schon als selbstverständlich voraussetzen, um uns guten Gewissens mit den schließlich ernsten Sprachspielen beschäftigen zu dürfen. Scharen von Professoren, Kritikern und Redakteuren sprechen ohne Arg, doch mit großem Pathos von dieser Aufgabe. Sartre sprach einst sogar vom politischen Engagement in der
.Literatur, das diese so bedeutsam mache

Borges lächelt dazu still . Das sei doch nun etwas sehr prätentiös, gleichsam mit Spatzen auf Kanonen gezielt. Nein, mit Aufgabe könne man das dichterische Wesen wirklich nicht zureichend beschreiben. Literatur, Poesie
:sei zuerst und zuletzt
Eine Leidenschaft und eine Freude“ . Und davon ist nun im Folgenden in „
.allen Facetten, Umwegen und Abschweifungen die Rede

Wir sind nicht sicher auf der Welt. Alles was wir tun, folgt Regeln eines mysteriösen Traumes, der verschiedenen Deutungen unterliegt. Auch ob wir Geträumte oder Träumer, Subjekt oder Objekt sind, ist ungewiss. So träumte dem chinesischen Philosophen Tschuang – Tse einmal, „ er sein ein Schmetterling, und als er erwachte, wusste er nicht, ob er ein Mensch war, der geträumt hatte, ein Schmetterling zu sein, oder ein Schmetterling, der nun
. „gerade träumte, er sei ein Mensch
Es ist zum Lachen und es ist exakt das Labyrinth unserer Erkenntnis, das sichere Gefühl, dass allein der Zweifel, das Zweifeln - Können uns gewiss gegeben ist als Freiheit, dieselbe aushalten zu sollen. Die Paradoxie unserer menschlichen Existenz ist es, die Borges interessiert und die er in aller Dichtung, welche er rühmt und liebt, wieder findet. Die wirklichen Worte sind uneigentliche, also eigentlich Metaphern, Stellvertreter, hinter deren Klängen und Bedeutungen nächtliche Überschreitungen, Begegnungen stattfinden, welche die täglich geglaubten Thesen und Identitäten ewig neu erschüttern und ad absurdum führen. So ist beispielsweise nicht klar, wie sich ein Autor vom Leser unterscheidet. Denn auf alle Fälle hilft der Leser dem Autor. Der Leser
.lädt den Text mit Bedeutungen auf, die der Autor oft gar nicht gekannt hat
. Der Leser sichert die „ewige Wiederkehr“ der Texte und Buchstaben
Andererseits weiß der Autor nicht, ob er, was er niederschrieb, nicht irgendwann und irgendwo davor gelesen und unbewusst nur abgeschrieben
.hat

Das Eigentliche ist das Unbewusste, das Wesen, welches zwischen Leser und Autor hin und her oszilliert und hier lächelt Borges erneut, wenn er an Sigmund Freud denkt, den ridikülen Mythenaufklärer, der selber nichts als
.sog. moderne Mythen und Märchen schuf

Das Buch sollte „das Lächeln des Dichters“ heißen, denn in diesem Lächeln liegt seine ganze Bedeutung, sein Charme und seine Weisheit. Luis Borges weiß nichts besser, er lebt, steht, denkt quer zu allen Zeiten, die wie verschiedene Brunnen sind, aus denen er schöpft und zitiert. Er erzählt, im Turme seines Gedächtnisses sitzend, von Wundern und vom Verfall dieses dennoch unzerstörbaren Turmes. Er ist Idealist in dem Sinne, dass ihm die Existenz der Ideen das einzig verlässliche sind. Von der Geschichte, von der Natur oder gar von der Wirklichkeit selbst kann er das nicht sagen. Nichts ist mythischer, wandelbarer und so sehr- plötzlich und stetig- im Verschwinden
.begriffen, wie jene sog. Wirklichkeit
Das ist die Erfahrung der Dichter, erzählt uns Borges, aus der heraus schaffen sie, setzen sie ihre Verse, deren Klang, deren Melodie und Dunkles uns verführt und fasziniert, nicht so sehr ihre Bedeutungen. Borges weiß das alles freilich viel leichter, beschwingter und wie im Vorübergehen zu sagen. Er gibt seinen Botschaften diesen Flugsand mit, diesen magischen Traumstoff, der freilich verkleidet im unverfänglichen Tone der Konversation, ja der
.Plauderei, zu uns ins stille Kämmerchen tritt
.Borges Vorlesungen konnte nur er, kann man kaum vorlesen
Denn woher nähme man den Ursprung seines Tones, der auch die
?Übersetzungsschranken überwindet, woher übernähme man dieses Lächeln
Und doch bei allen Reflexionen aufs Ungewisse, aufs Rätselwesen, aufs Labyrinthische menschlicher Existenz, - dazwischen streut er unverhofft auch
.Handfestes, Merkenswertes, Spruchhaftes
Etwa die Einsicht: „Man liest das, was man mag- aber man schreibt nicht, was man schreiben möchte, sondern
.“was man zu schreiben fähig ist

In diesem Satz steckt eine Fülle von Beobachtungen, Widersprüchen und
.Leiden
Denn was man gerne liest, möchte man fortspinnen, weiter schreiben- doch die Schülerschaft im Dichterischen geht kompliziertere, oft auch tragischere Wege, als auf anderen Gebieten der Wissenschaft oder des Handwerks; jener beiden Disziplinen, die der Dichter kennt und braucht, von denen er
.aber niemals ausgeht

Das kleine Buch ist voller Anekdoten, Anspielungen, Beobachtungen und eben jenes wunderbaren Lächelns, das einen für immer gefangen hält. Man möchte es nicht mehr weglegen, man nimmt es überall hin mit. Man weiß, dass es zu jenen Büchern gehört, die niemals auszulesen sind. Und läse man
.es selbst in der Ewigkeit

Der Trug aller Zeit und der Sinn des Ewigen - auch das übrigens ein ständiges Thema des Erzählers Luis Borges, der kaum ein Ressentiment gegen irgendwas oder irgendwen kennt. Polemik ist ihm fremd, Kritik kommt hier und da verhalten, doch deutlich, gewinnbringend zum Vorschein. Doch Bücher zu verreißen, dazu hat er nicht die geringste Neigung. Es gibt zu viele Zeugnisse des Gelingens, des Glücks und der Freude, als dass er zu jenem
.negativen Geschäft überhaupt kommen wollte
Borges ist ein Dichter, Borges heißt ein einmaliges Gedächtnis, Borges ist ein
.Phänomen in Gestalt eines Wanderers durch alle Bibliotheken
Er ist ein Leser, der Vorlieben hat, insbesondere für die englische Literatur, aus deren Quellen und Faltenwürfen er alle Augenblicke ein überraschendes
.Zitat nach dem anderen herauszieht
Mit der deutschen Poesie, von der er respektvoll spricht, hat er indessen weniger Glück gehabt. Er hat sogar deutsch gelernt, weil er auch in unsere Labyrinthe vordringen wollte. Bei Schopenhauer, bei Heine erlebte er große Stunden, bei Goethe, bei Lessing und auch im Nibelungenlied blieben ihm die
.Wunder, wie wohl er deren Anwesenheit spürte, leider verborgen

Für alle Liebhaber der Poesie ist dieses Buch, aus dem man wie im Schlafe
lernt, das einen in hinterste Träume hinein begleitet, - ein Fest ganz
.besonderer Freude
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1- Das Handwerk des Dichters, Hanser Verlag München 2002



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